Dr. Manuél Ceglarek

ist Dekan im Dekanatsbezirk Bayreuth

Verletzlich. Mutig. Hoffnungsfroh.

Foto: Burg und Sonne. Paul Klee

  
Die Kirche meiner Vision ähnelt einer Stadt. Das Bibelwort „Es kann die Stadt, die auf einem Berg liegt, nicht verborgen sein“ (Matt. 5:14) steht für ihre äußere Sichtbarkeit. Die Maxime „Verletzlich. Mutig. Hoffnungsfroh.“ beschreibt das Leben innerhalb der Mauern, das nach außen strahlt.

„Verletzlich“ – 
Eine authentische Gemeinschaft

Verletzlichkeit ist die Grundexistenz des Menschen. Kirche ist ein Raum echter Begegnung, in dem Individuen mit ihren Narben verletzlich und mit ihrer Lebensgeschichte authentisch „sein dürfen“. Die Anerkenntnis der eigenen Verletzlichkeit ist das Tor zur Verantwortung füreinander. Die Haltung der Kirche hilft, dieses Tor zu öffnen.
Kirche steht für Demut ein: Gott schenkt uns das Leben mit seinen Schattierungen, nicht wir selbst. Eine demütige Kirche ist bereit, die eigenen Unvollkommenheiten vor aller Augen anzuerkennen. Sie radiert die dunklen Kapitel nicht aus ihrer Geschichte, sondern lernt anhand dieser Episoden. Sie folgt dem Gottessohn Jesus, der seine eigene Menschlichkeit verletzlich zeigte und damit das größte Beispiel für wahre Stärke wurde: „Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig“ (2Kor 12,9). Sie strahlt nicht als perfekte Institution, ist dabei emsig und agil wie eine Stadt, die sich stets mutig für die entsprechende Zeit umbaut.

„Mutig“ – Die Stimme des Wandels 
und der Wahrhaftigkeit

Die gesellschaftliche Großwetterlage ist von Spaltungen geprägt. Eine mutige Kirche handelt aus einer gemeinsamen Vision heraus. In einer Welt, die sich ständig verändert, verharrt Kirche nicht in veralteten Strukturen, um ihre Wirksamkeit zu erhalten. Mancher Föderalismus hat zu einer Verwässerung der gemeinsamen Identität sowie zu unnötigen Barrieren und bürokratischen Hürden geführt. Eine Kirche der Zukunft wandelt sich, indem sie zwischen sinnvollen zentralen Strukturen zur Koordination und bewährtem föderalem Denken in Regionen unterscheidet. In einer Stadt existieren unterschiedliche Viertel, die alle ihren Teil für das Ganze beitragen. Das verbindende Element in der Stadt ist die Bürgerschaft, das verbindende Element in der Kirche der Mut, auf Gott zu hoffen. Es gibt bewusste föderale Elemente, um örtlich Ressourcen zu aktivieren und zu experimentieren. Daneben bestehen in der Stadt zentrale Strukturen, um zügig zu kommunizieren und effizient Entscheidungen zu treffen.
Kirche der Zukunft kehrt ungelöste Konflikte und wichtige Themen nicht unter den Teppich. Konflikte werden als Chance für Verständnis und Wachstum erlebt. Es geht um eine klare Haltung der Wahrhaftigkeit und des Respekts. Wenn Kirche den Mut hat, eigene Widersprüche und Herausforderungen zu benennen, wirkt sie als kraftvolle Stimme in die Gesellschaft hinein und hat keine Angst, gegen den Strom zu schwimmen.
Kirche wird so zum mutmachenden Raum für vielfältige Positionen, alle vereint im christlichen Glauben. Menschen lernen dort, in Offenheit miteinander zu sprechen und ohne Angst vor Verurteilung zu diskutieren. Kirche ist offen für den Dialog mit der Gesellschaft, aber auch innerhalb der eigenen Stadtmauer. Sie spricht mutig die Herausforderungen unserer Zeit an und eröffnet Hoffnungsfreude.


„Hoffnungsfroh“ – 
Lichtträger in der Dunkelheit

Kirche der Zukunft kann sich mutig für Veränderungen einsetzen, weil sie das Licht Christi nicht unter den Scheffel stellt, sondern es in die Dunkelheit trägt. Sie geht freudig, voller Hoffnung, voran, auch wenn der Weg steinig ist. Die Freude des Ostermorgens durchstrahlt Kirche und geht mit ihr hinaus in die Welt.
Kirche setzt bewusst einen Kontrapunkt zur momentanen Großwetterlage, in der Angst wie eine Herrscherin ihr Unwesen treibt. Sie lebt in einer Haltung der Demut und im Vertrauen auf Gottes Zusagen. Das Zentrum der Stadt ist die Vertrauenserklärung, dass Gott das letzte Wort haben wird. Kirche gibt verletzlichen Menschen den Raum zu hoffen – und darüber froh zu sein. 

Fazit

Die Kirche meiner Vision ist der Raum, in dem verletzliche, mutige und hoffnungsfrohe Nachfolger*innen ihre Identität in Christus entdecken. Sie erkennt ihre eigene Verletzlichkeit als Quelle der Heilung und ermutigt Menschen, sich in ihrer Schwäche von Gott stärken zu lassen. Kirche lebt mutig und profilstark in dieser Welt, passt immer wieder ihre Strukturen an und eröffnet einen Raum für verschiedene Positionen. Sie strahlt Hoffnung auf ein besseres Morgen aus.
Sie gleicht dem mit warmen Farben dargestellten Gebäudebestand des Bildes von Paul Klee. Bunt und vielfältig – da hat sich jemand etwas getraut! – ist alles gebaut. Die Möglichkeit zum Um-, An- und Abbau ist gegeben. Die kalten Farben zeigen Verletzlichkeit. Alles überstrahlt die große Sonne der Hoffnung, die allem einen warmen Schein verleiht. Kirche ist wie eine gut sichtbare Stadt auf dem Berg: Verletzlich. Mutig. Hoffnungsfroh.


Dr. Manuél Ceglarek
ist Dekan im Dekanatsbezirk Bayreuth