Unser Newsletter Februar 2025
In dieser Ausgabe finden Sie inhaltliche Beiträge von unseren akd Kolleg*innen Astrid Nickel, Franziska Woellert und Dr. Lars Charbonnier.
Fährt der Zug ohne mich? –
Anforderungen der Führung nach ISO 9004
Bild: Freepik
Qualität ist mehr als eine reine ISO-Zertifizierung! Basiert die Unternehmensstrategie auf dem Qualitätsgedanken, bedeutet dies für ein Unternehmen, stets zu wissen, wo es steht und wohin die Reise gehen soll. Dabei muss klar sein, was die eigenen Produkte oder Dienstleistungen von den anderen unterscheidet, was Kunden erwarten und wie diese Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern auch übertroffen werden können.
Diese gedanklichen Auseinandersetzungen mit den Themen – wohin geht die Reise im Unternehmen, wer sitzt im Zug, wer stellt die Weichen und wer bleibt mit dem Koffer am Bahnsteig zurück sind anstrengend, können ein Unwohlsein bis hin zu offenen Ängsten erzeugen. Die sich immer schneller drehenden gesellschaftlichen Veränderungen erzeugen bei Vielen eine sich vergrößernde Unsicherheit: was gilt, was hat Bestand – habe ich Bestand? Bin ich noch anschlussfähig an die Welt da draußen, verfüge ich über die notwendigen Kompetenzen, sind meine Themen gefragt, bin ich „zukunftsfähig“? Die Menschen gehen sehr unterschiedlich mit diesen Unsicherheiten um, manche ziehen sich konsequent aus Themendiskussionen heraus, andere mutieren zum Vielredner bei Teammeetings – lassen damit keine neuen Gedanken zu und fühlen sich durchgängig persönlich hinterfragt und angegriffen.
Um aus diesem in redundanten Schleifen geführten inneren Dialog auszubrechen, braucht es Kommunikationsangebote von außen. Ich muss (wieder) Vertrauen fassen in meine Arbeitswelt hinein. Widerstände in Veränderungsprozessen sind am geringsten, wenn Beteiligte und Betroffene das Projekt als „ihr eigenes“ ansehen und wenn das Projekt die volle Unterstützung der Führungskräfte im Unternehmen hat. Sie sind geringer, wenn:
- von Veränderungen potentielle Entlastungen erwartet werden
- das Projekt mit den Werten und Idealen meiner Organisation übereinstimmt
- für mich Perspektiven und neue interessante (Lern-)Erfahrungen entstehen
- nicht die Autonomie und Sicherheit der Beteiligten bedroht wird
- aus Betroffenen Beteiligte werden, in dem sie an Diagnosen und Entscheidungen beteiligt werden
- Vorbehalte thematisiert und Befürchtungen ausgeräumt werden.
Für diese vertrauensbildenden Gespräche braucht es die Entwicklung der passenden Unternehmenskultur mit dem entsprechenden Mindset der Mitarbeitenden – es braucht Raum, Zeit und Haltung, die von den Führungskräften gegeben und vorgelebt werden muss.
Die Anforderungen der ISO 9004:2018 Qualitätsmanagement – Qualität einer Organisation – Anleitung zum Erreichen nachhaltigen Erfolgs bringt die Anforderungen an die Führung auf den Punkt. Unter Kapitel 7.1.2 ist da im ungewohnt verständlichen ISO-Sprech zu lesen: „Um nachhaltigen Erfolg zu erzielen, sollte die oberste Leitung Führung und Verpflichtung innerhalb der Organisation zeigen durch:
- Festlegen der Identität der Organisation;
- Förderung einer Kultur des Vertrauens und der Integrität;
- Aufbau und Aufrechterhaltung der Zusammenarbeit;
- Ausstattung der Personen mit den für verantwortliches Handeln notwendigen Ressourcen, Schulungen und Befugnissen;
- Förderung gemeinsamer Werte, von Fairness und ethischem Verhalten, sodass diese auf allen Ebenen der Organisation aufrechterhalten werden;
- …
- die einzelne und kollektive Bekräftigung der Werte der Organisation;
- soweit erforderlich, die externe und interne Kommunikation erreichter Erfolge;
- Schaffung einer Grundlage für die wirksame Kommunikation mit den Personen der Organisation zur Diskussion von Themen mit allgemeiner Auswirkung einschließlich finanzieller Auswirkung;
- die Unterstützung der Weiterentwicklung des Führungsverhaltens auf allen Ebenen der Organisation.
Die ISO 9004 steht immer ein wenig im Schatten der ISO 9001 – dabei liefert sie an vielen Punkten die „weiche“ Ergänzung zur 9001. Sie gibt viele normative Anregungen für die gesteuerten Entwicklungen in Unternehmen – ohne den Anspruch zu erheben, Fertiglösungen für Probleme zu liefern.
Lösungen für Probleme in der Organisation kann nur in den individuellen Steuerungskompetenzen von Führungskräften und in Selbststeuerungsfähigkeiten der einzelnen Mitarbeiter*innen liegen. Ich muss bereit sein, den inneren Dialog über meine „Zukunftsfähigkeit“ positiv zu beantworten. Ich muss bereit sein, mich auf Neues einzulassen. Ich muss meine Fehler mit Nachsicht sehen und aus der überzogen kritischen Selbstbewertungsschleife aussteigen können…und wenn mir ehrlich gemeinte Brücken von außen gebaut werden, diese sehen und (wieder) Vertrauen fassen.
Lizenz zum Führen –
Führungsfrauen zwischen Selbst- und
Fremdzuschreibungen
Bild: Freepik
Neulich lief im Fernsehen einer der alten James Bond-Filme. Ich sah mir die ersten Minuten an. 007 wurde von wild schießenden Bösewichten durch eine Schneelandschaft gejagt, entkam nur knapp, weil er ein Stück des explodierten Schneemobils als Snowboard umfunktionierte, um darauf supercool hangabwärts zu sausen. Unten erwartete ihn ein als Eisscholle getarntes Uboot, das eine souveräne und vor allem sehr gut aussehenden Blondine völlig allein führte. Die sich dann jedoch ohne Zögern mit einem gehauchten „Ach James“ von ihm auf die weiße Ledercoach ziehen ließ, da sich so die Zeit bis zur nächsten Station besser vertreiben lässt. Schnitt.
Warum ich das erzähle? Weil in mir während dieser kurzen Filmsequenz gleich mehrere Gedanken auf einmal durch den Kopf gingen. Ich malte mir die belustigten Kommentare meiner Kinder zu den special effects der damaligen Filmkunst aus. Ich lächelte milde über das völlig überzeichnete Männer- und Frauenbild und sinnierte darüber, wie sich die Filmfigur „James Bond“ über die Jahre entwickelt hat – und kam dann wieder auf das Frauen- und Männerbild zurück. 1985, als „Im Angesicht des Todes“ erschien, war ich sieben Jahre alt. Mir wurde schlagartig bewusst, dass trotz vieler starker Frauen in meinem Leben irgendwas von den im Film skizzierten und natürlich völlig übertriebenen Geschlechter-Stereotypen in mir Spuren hinterlassen hat.
Innerer Zweifel trifft auf äußere Strukturen
Ich behaupte, viele Frauen kennen dieses Gefühl: ich kann als Frau noch so gut ausgebildet und erfolgreich sein, sobald jemand kommt und meint, sich über uns stellen zu können, werden wir unsicher. Natürlich betrifft das auch einige Männer, aber gerade Frauen fühlen sich oft zerrissen zwischen eigener Selbstwahrnehmung und den realen oder vermeintlichen gesellschaftlichen Zuschreibungen. Diese unconscious bias, also unbewusste Voreingenommenheiten, die wir aus dem Diversitätstrainings kennen, halten auch für unsere eigene Entwicklung ihre Fallstricke bereit. Zusätzlich treffen die inneren Bedenken, ob man den Platz in der Führung wirklich verdient hat, oft auf eine Realität, in der Frauen in Führung noch immer in der Minderheit sind. Trotz der vielen Frauen mit hervorragenden Abschlüssen war in Deutschland im Jahr 2023 nur knapp jede dritte Führungskraft weiblich – ein Anteil, der seit über einem Jahrzehnt stagniert. Und selbst in der Diakonie, wo 75 Prozent der Mitarbeitenden weiblich sind, sieht es nicht anders aus.
Umso wichtiger ist es, dass Führungsfrauen die eigene Haltung zu Macht, Erfolg, Leadership und Zusammenarbeit reflektieren und zugleich einen persönlichen Führungsstil entwickeln können, der ihnen die eigenen Stärken bewusst und nach außen hin sichtbar macht.
Der innere Führungsdialog
Eine Möglichkeit, die eigenen inneren stärkenden wie hemmenden Stimmen wahrzunehmen, ist die Aufstellung des eigenen Inneren Führungsteams. Die Methode, die vor allem durch Friedemann Schulz von Thun bekannt geworden ist, leitet dazu an, sich mit den Vorbildern, Idolen und prägenden Persönlichkeiten auseinanderzusetzen, die das eigene Führungsverständnis geprägt haben. Am Besten nimmt man sich die Zeit und zeichnet die verschiedenen Prägungen als Innere Teammitglieder mit einem Symbol auf ein Blatt Papier. Zum Beispiel die „Ewige Mahnerin“ mit einem Stoppschild, die „Harmonische“ mit einer Waage, die „Powerfrau“ als Superwoman. Zusätzlich können alle Teammitglieder mit einem typischen Satz oder Appell charakterisiert werden. Zum Beispiel ruft die „Powerfrau“ laut: „Du schaffst alles!“. Die „Ewige Mahnerin“ hebt ständig den Zeigefinger und sagt: „Pass auf, sei vorsichtig!“. Und die „Harmonische“ summt penetrant ins Ohr: „Achte darauf, dass es allen gut geht mit dem was du tust!“. Spannend bei dieser Aufstellung ist, dass es nicht in erster Linie darum geht, dysfunktionale Teammitglieder ausfindig zu machen und zum verstummen zu bringen. Sondern vielmehr darum, sich dieser Stimmen bewusst zu werden und sie gezielt und situationsabhängig zum Einsatz zu bringen.
Diese tiefe Reflexion mit dem inneren Führungsteam schafft nicht nur Klarheit über die eigene Identität als Führungskraft, sondern eröffnet auch die Möglichkeit, die eigenen Stärken strategisch anzuwenden und mit den Schwächen sorgsam umzugehen. Führungsfrauen, die ihre Führungsrolle so authentisch und mit Überzeugung ausfüllen, prägen die Kultur ihrer Organisation und inspirieren und fördern andere Führungsfrauen (und -männer), es ihnen gleich zu tun. Sie tragen damit dazu bei, alternative Formen der Führung sichtbar zu machen und langfristig in den Strukturen zu verändern. Und vielleicht ist der nächste James Bond ja doch eine Frau.
Franziska Woellert, akd Studienleitung
Was einen antreibt…
– oder warum Persönlichkeitsentwicklung zentral ist für eine Führungskraft
Bild: Freepik
„Da ist ja noch etwas besser zu machen!“ Der Kommentar meines Vaters zu meiner Klassenarbeit, in der ich zwar eine Eins, aber nicht die volle Punktzahl erreicht habe. Ich habe viele Einsen nach Hause gebracht als Schüler, fast nur Einsen. Und dennoch, das hat sich mir eingeprägt: Es reicht erst, wenn es perfekt ist. „Sei perfekt!“, das hat sich mir als innerer Antreiber eingeprägt und ist wirksam, meine ganze berufliche Entwicklung begleitend bis heute. Wahrscheinlich wäre ich ohne diesen Antreiber kaum so weit gekommen. Nur in meiner Führungsrolle, da wird er nicht selten dysfunktional. Denn: Ich kann nicht immer perfekt sein. Das ist nicht nur aufgrund meines christlichen Menschenbildes so, dass Abgründe und Untiefen kennt und akzeptiert, sondern auch, weil die Ansprüche so groß und so heterogen sind, dass Perfektion ein falsches Ziel darstellt, dem nachzueifern nicht zu empfehlen ist.
Wenn ich diesem Antreiber folge, dann ergeht es mir schlecht, Weil ich diesem Anspruch nicht gerecht werde – und weil erst recht meine Mitarbeiter*innen diesem Anspruch nicht gerecht werden, obwohl sie vieles ganz wunderbar tun. Denn das Haar in der Suppe findet mein Antreiber immer – selbst bei einer Eins, s.o. Mich mit diesem Antreiber zu erkennen und zu verstehen, ist nicht einfach. Mich damit zu akzeptieren und daran zu arbeiten, noch weniger. Und doch: Ohne eine solche Auseinandersetzung wird der Antreiber mich mehr als nötig beschäftigen. Und nicht nur das: Er wird mich davon abhalten, eine gute Führungskraft zu sein.
Diese hier verwendete Theorie der Inneren Antreiber stammt aus der Transaktionsanalyse und beschreibt fünf grundlegende Verhaltensmuster oder "Antreiber", die Menschen motivieren und beeinflussen. Diese Antreiber sind oft unbewusste Botschaften, die wir in der Kindheit von unseren Bezugspersonen erhalten haben. Wichtig ist: Sie haben sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf unser Verhalten. Die fünf Inneren Antreiber mit Beispielen ausgeführt sind diese:
- Sei perfekt: Menschen mit diesem Antreiber streben nach Perfektion und haben hohe Ansprüche an sich selbst. Beispiel: Jemand, der immer die besten Noten erzielen möchte und sich selbst bei kleinen Fehlern stark kritisiert.
- Sei stark: Diese Personen fühlen sich verpflichtet, immer stark und unabhängig zu sein. Beispiel: Eine Person, die nie um Hilfe bittet, selbst wenn sie überfordert ist.
- Mach es allen recht: Menschen mit diesem Antreiber versuchen, es allen recht zu machen und Konflikte zu vermeiden. Beispiel: Jemand, der immer zustimmt, auch wenn er anderer Meinung ist, um Harmonie zu bewahren.
- Beeil dich: Diese Personen fühlen sich ständig unter Zeitdruck und haben das Gefühl, immer schnell handeln zu müssen. Beispiel: Eine Person, die immer in Eile ist und sich gestresst fühlt, wenn sie warten muss.
- Streng dich an: Menschen mit diesem Antreiber glauben, dass sie sich immer anstrengen müssen, um Erfolg zu haben. Beispiel: Jemand, der ständig Überstunden macht, weil er glaubt, dass harte Arbeit der einzige Weg zum Erfolg ist.
Diese Antreiber können helfen, persönliche Stärken zu erkennen, aber auch Bereiche aufzeigen, in denen man sich selbst unnötig unter Druck setzt. Und als Führungskraft gilt: Nicht nur sich setzen diese Antreiber unter Druck, sondern man setzt auch seine Mitarbeiter*innen unter Druck! Deshalb ist es wichtig, seine Antreiber zu kennen, um sich nicht von ihnen führen zu lassen!
Dr. Lars Charbonnier, akd Studienleitung