Unser Newsletter Dezember 2024
In dieser Ausgabe haben wir inhaltliche Beiträge präsentiert von unseren akd Kolleg*innen Tilman Kingreen und Michael Zirlik sowie ein Interview mit Beate Stelzer von
Norecu Executive Search. In dieser Reihenfolge finden Sie diese Beiträge hier.
Der Komposthaufen!
Was wir meinen, wenn wir von Transformation sprechen.
Bild. Freepik
„Wir haben Lust auf Transformation!“ Ein solcher Satz klingt nach. Aber ich verstehe ihn nicht. Wie kann etwas Lust machen, das Verlust bedeutet? Transformation verändert den Wesenskern. Nicht nur wie, sondern auch was bisher galt, gilt nicht mehr. Kann das Lust machen? Mich ärgert, dass der Begriff Transformation heute so leichtfüßig daherkommt und inflationär gebraucht wird. Wie Konfettieregen rieselt er aus tausenden Powerpointpräsentationen. Oder er kommt drohend daher: „Wir stellen alles auf den Prüfstand! Was ist, war gestern. Und gestern ist gestern und darum heute falsch.“ Es soll nach Außen etwas bewirkt werden. Darum schreiben wir in Großbuchstaben „Transformation“ und tragen dies als Banner in der rechten Hand, während die linke den nächsten Changeprozess gestaltet. Wie kommen wir aus diesem Widerspruch heraus? Das solidarische „Wir“ entdeckt die transformative Kraft und entwickelt daraus einen kritischen Dialog mit allem, was es bislang auch nach Außen darstellte.
Ich wünschte mir darum zuerst eine Würdigung dieses wichtigen Begriffs Transformation. Ich suche dafür keine Lehrbuchdefinition. Ich möchte, dass wir die existentielle Wucht dieses Begriffs verstehen. Wir brauchen Transformation. Das ist klar. Aber Transformation können wir weder planen noch machen. Transformationen müssen wir zulassen. Ihre Relevanz entsteht im Außen. Von dort kommt sie auf uns zu. Und das verlangt vor allem eines: Vertrauen aufzubauen! Wir brauchen Vertrauen in das, was werden wird, auch wenn wir es nicht kennen, sondern nur wissen: das bisher uns Vertraute wird es auf jeden Fall nicht mehr sein. Transformation braucht wie Weihnachten den Advent.
Diesen Erwartungsraum können wir herstellen. Mit Rahmensetzungen, Ritualen und einer klaren Zukunftsausrichtung. Und was geschieht in diesem Raum? Es entsteht eine neue Figur von allem, was wir bislang waren und sind, wofür wir einstanden. Diese Figur wird gänzlich anders sein, als alles, was wir bisher kannten. Mehr wissen wir nicht. Alles andere wäre sonst nur eine in die Zukunft projizierte Vergangenheit.
Transformation braucht den Kairos. Das unterscheidet Transformation vom Change. Change braucht einen Anlass. Sei dies die Ressourcenverknappung oder der Verlust an Kundenkontakt. Solche Anlässe fordern Changeprozesse. Change lebt von gutem Handwerk. Dinge müssen angepackt und professionell gestaltet werden. Sie sind beschreibbar und damit umsetzbar. Es muss getan werden. Dazu braucht es Entscheidungen und danach ein entschiedenes Umsetzen.
Verschleppte Entscheidungen und unentschiedenes Handeln sammeln sich dagegen wie alles, das nicht verarbeitet wird. Es landet auf dem Kompost. Nicht auf dem Müllhaufen. Es wird zum Komposthaufen. Denn die Substanz war sehr gut. Es fehlten nur die Entscheidungen zur rechten Zeit! So kommt es, dass gute Früchte den Anschluss zur Umwelt verlieren und sich nicht mehr produktiv mit ihrer Umwelt verbinden. Nun also dort: auf dem Kompost! Auch hier wirkt die gute Substanz fort. Entwickelt Wärme. Trägt dazu bei, einen hochenergetischen Mikrokosmos zu entwickeln an dessen Ende Humus entsteht. Humus! Der Komposthaufen ist ein Sinnbild für Transformation. Das Vergangene wird zum Energieträger der Zukunft.
Fehlende Entscheidungen sind eine Gefahr. Können wir noch einen Changeprozess einleiten oder stehen die Zeichen auf Transformation? Das gilt es zu unterscheiden. Beim Change können Zeiten und Ziele vorgegeben werden. Bei Transformation errichten wir eher ein Vertrauenscamps in der Wüste. Das ist ein fundamentaler Unterschied. Bei dem einen geht es um Tempo. Bei dem anderen um Entschleunigung. Und bitte keine Mischformen! Bei dem einen werden operationale Ressourcen zur Verfügung gestellt. Beim anderen lautet die Hauptressource Vertrauen. Und das muss man herstellen. Hierzu braucht‘s Visionsreisen, ein gemeinsames tastendes Suchen und immer wieder den Versuch, erste Prototypen der im Entstehen begriffenen Zukunft zu wagen. Aus verpassten Change wird ein Komposthaufen. Die Transformation beginnt.
Tilman Kingreen, akd Studienleitung
„In der eigenen Blase lebt sich`s doch am Besten“
oder warum Transformation nicht ohne kräftigen
Durchzug auskommt.
Bild: Freepik
„Das mit den jungen Leuten der Generation z ist wirklich nicht so einfach. Die sind so auf Ihre Work – Life – Balance bedacht. Die müssen erst mal lernen, was es heißt, richtig zu arbeiten und Verantwortung zu übernehmen!“
So ging das Gespräch zwischen zwei Chefärzten am Stehtisch während der Pause bei einem Kongress.
Erst nach einiger Zeit meldete sich eine weitere erfahrene Oberärztin zu Wort: „Diese jungen Leute haben so Recht! Ich habe meinen eigenen Kindern immer gesagt: Macht es nicht so wir, arbeitet keine 50 – 70 Stunden in der Woche, kümmert Euch auch um Eure Familien. Macht die Kliniken zu einem besseren, familienfreundlicheren Ort!“
Erstaunte Blicke und betretenes Schweigen bei den beiden Chefärzten.
Es ist erstaunlich, wie beharrungsfähig Organisationen sind, wenn es darum geht, sich wirklich zu transformieren. Wie stark die Abwehrkräfte sind, wie schnell das „Fremde“ abgelehnt oder versucht wird, es „auf Spur“ zu bringen, es letztendlich systemkonform zu machen.
Wirkliche Transformation aber braucht genau diese offene Konfrontation mit dem vermeindlich „Fremden“. Sie braucht den Mut, frischen Wind reinzulassen. Auch dann, wenn dieser Wind nicht nur kräftig Staub aufwirbelt, sondern auch an so manch sicher geglaubten Zelt rüttelt und auch gleich noch den Komposthaufen in alle Himmelsrichtungen zerstreut. Gemeint ist damit nicht der übliche „Austausch“ mit anderen, ähnlichen Organisationen oder Führungskräften, sondern der Blick in wirklich andere Lebensbereiche.
Mal Hand aufs Herz: Wann haben Sie Sich zum Beispiel zuletzt…
… damit beschäftigt, welche modernen, hierarchiefreien Managementpraktiken heute schon in Wirtschaftsunternehmen gelebt werden und versucht, diese Ansätze in Ihre Arbeit zu übertragen? (Buchtipp: „Das kollegial geführte Unternehmen“ von Bernd Oestereich)
… die Frage gestellt, was Sie und Ihre Mitarbeitenden von militärischen Einheiten zum Thema „Verantwortung“ lernen und übertragen können? (Tipp: „Extreme Ownership“ von Jocko Willink)
… erkundigt, welche Ansätze zu Fehlerkultur und Risikomanagement sie aus Bereichen übertragen können, in denen ein einziger Fehler sofort hunderten von Menschen das leben kosten kann? (Tipp: „Crash-Kommunikation: Warum Piloten versagen und Manager Fehler machen“ von Peter Brandl
Derartige Ansätze zu übernehmen ist oft nicht einfach, fühlt sich „komisch“ an und stört die bisherigen Abläufe. Es ist eben nie angenehm, wenn ein richtiger Sturm durch die Gänge pfeift. Aber es ist so dringend nötig, denn nur wo Staub aufgewirbelt wird, kann sich darunter etwas Neues zeigen. Nur wo altes eingerissen wird, kann neues gebaut werden. Und nur wo der Kompost der Erfahrungen hinweg gepustet und über den Boden verteilt wird, da kann er auch wirksam werden.
Daher: Fenster auf und rein mit dem prallen Leben! Die Nase in den Wind stecken und den Sturm genießen. Und danach wird nichts mehr so sein wie davor.
Michael Zirlik, akd Studienleitung
Interview mit Beate Stelzer
Kirchliche Organisationen stehen derzeit vor multiplen Herausforderungen. Sie haben Einblicke in viele Organisationen und insbesondere Kontakt zu vielen Führungskräften.
Welche Herausforderungen sind aus Ihrer Sicht besonders fordernd?
Die zunehmende finanzielle Unsicherheit durch sinkende Mitgliederzahlen und damit weniger Kirchensteuereinnahmen ist besonders gravierend. Hinzu kommt ein steigender Bedarf an Professionalisierung sowie Transparenz
und Effizienz in der Mittelverwendung. Dies verlangt nicht nur ein strategisches Finanzmanagement, sondern auch eine Innovationsfähigkeit, die häufig neu gedacht werden muss. Die Balance zwischen wirtschaftlicher
Nachhaltigkeit und dem sozialen Auftrag der Kirche ist für Führungskräfte eine anspruchsvolle Aufgabe. Kirchliche Organisationen bieten in der Regel niedrigere Gehälter als die freie Wirtschaft, da sie oft gemeinnützig arbeiten
und auf Spenden oder Kirchensteuern angewiesen sind. Auch die Karrierewege sind in kirchlichen Organisationen oft flacher und weniger dynamisch als in der Industrie, was ambitionierte Personen abhalten könnte.
Eines Ihrer Fokusthemen sind die CFOs in Organisationen im kirchlichen Umfeld. Warum gerade diese und was macht diese für Sie
und in Ihrer Arbeit so interessant?
Die Rolle des CFO in kirchlichen Organisationen umfasst weit mehr als reines Zahlenmanagement. Ein CFO in diesem Umfeld muss die finanzielle Stabilität der Organisation sicherstellen und gleichzeitig sensibel mit den Erwartungen von Spendern, Mitgliedern und Stakeholdern umgehen. Diese Position ist oft
das Bindeglied zwischen der Vision und den finanziellen Möglichkeiten der Organisation – ein Balanceakt, der viel Fingerspitzengefühl, strategisches Denken und Know-how erfordert. Dort, wo Offenheit für Veränderung herrscht, kann ein Kandidat viel bewegen und Mehrwert schaffen. Auch erlebe ich immer
häufiger, dass sich gerade reifere Menschen nach Wirksamkeit und Sinnhaftigkeit im beruflichen Kontext sehnen. Dafür nehmen sie
auch gehaltliche Einschränkungen in Kauf.
Und was braucht also eine gute CFO im kirchlichen Kontext, um diesen Herausforderungen wirksam und erfolgreich entgegentreten zu können?
Ein erfolgreicher CFO im kirchlichen Bereich muss besonders anpassungsfähig und empathisch sein. Die Fähigkeiten, komplexe finanzielle Sachverhalte transparent darzustellen und gleichzeitig Veränderungen zu treiben, sind
essenziell. Auch gefragt sind interdisziplinäre Zusammenarbeit und eine hohe Kommunikationskompetenz, um unterschiedliche Interessen zu integrieren und das Vertrauen der Stakeholder zu gewinnen. Nicht zuletzt sind ethische Integrität und eine starke persönliche Identifikation mit den Werten der Kirche entscheidend, um glaubwürdig zu wirken und den Auftrag der Organisation voranzutreiben.
Und jetzt mal unter uns: Wie sehen Sie den Markt gerade? Gibt es ausreichend kompetente Personen? Und auf der anderen Seite:
Gibt es ausreichend gut aufgestellte kirchliche Organisationen, in denen diese Personen wirklich wirksam sein könnten?
Der Markt für erfahrene CFOs ist aktuell durchaus angespannt. Es gibt zwar kompetente Fachkräfte, doch die spezifischen Anforderungen
an CFO im kirchlichen Kontext – insbesondere Werteorientierung und soziale
Verantwortung in Kombination mit dem niedrigen Gehaltsniveau und einschränkten Einwicklungsmöglichkeiten – schmälern den Kreis der geeigneten Kandidaten. Zudem gibt es nur wenige kirchliche Organisationen, die strukturell und finanziell so aufgestellt sind, dass ein innovativer und strategisch denkender CFO wirklich das volle Potenzial entfalten kann. Hier sehe ich sowohl Bedarf, als auch Chancen für kirchliche Organisationen, sich als attraktiver Arbeitgeber mit einer klaren Mission zu positionieren und somit neue Talente zu gewinnen.
Beate Stelzer ist Partnerin bei Norecu Executive Search und bringt knapp 20 Jahre Erfahrung in der Personalberatung mit Fokus Financial Services und Real Estate mit. Ihre frühere Managementposition bei der UniCredit AG verschaffte ihre tiefgehende Branchenkenntnis und ein umfassendes Netzwerk. Kernkompetenz ist die Beratung und Besetzung von Management-Positionen in Finance (CFO), Personal, Immobilien, IT-Digitalisierung, Verwaltung. Sie verfügt über detaillierte Kenntnisse im kirchlichen und sozialen Kontext und der dort vorhandenen Herausforderungen durch vergleichbare Mandate. Darüber hinaus umfasst ihr Tätigkeitsbereich die Durchführung von Management-Audits/Assessmentcenter und Business Coaching. Neben der fachlichen Eignung von Kandidaten/innen legt sie besonderen Wert auf die kulturelle Passung. Größtmögliche Sicherheit in Besetzungsprozessen ist ihr wesentlicher Treiber.